Felsner Zeh Moenikes

Rechtsanwälte & Notar

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AG Osnabrück: Räumungsklage gegen Mieter mit laufendem Insolvenzverfahren ist unzulässig.

Das Amtsgericht Osnabrück hatte sich in seinem Urteil vom 10.03.2021, Az. 31 C 1830/20 (6), mit der Frage zu befassen, ob nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens eine Räumungsklage gegen einen Mieter zulässig oder unzulässig ist. Das Amtsgericht hat sich der Auffassung der von uns vertretenen Beklagten angeschlossen und die Klage als unzulässig abgewiesen.

Grober Sachverhalt:

Die Kläger nahm die Beklagte im September 2020 wegen vermeintlich hoher Mietrückstände auf Räumung in Anspruch, nachdem Mitte 2020 bereits ein Insolvenzverfahren über das Vermögen der Beklagten eröffnet wurde. In seinem Urteil fasste das AG Osnabrück die unterschiedlichen Rechtsauffassungen zutreffend wie folgt zusammen und bewertete sie sogleich (die Wiedergabe erfolgt anonymisiert):

Das Urteil:

„Die Klägerin ist Eigentümerin des Anwesens XYZ, PLZ Stadt. Ursprünglich waren die Parteien gemeinsam je zur ideellen Hälfte Miteigentümer an der Immobilie.


Die Beklagte war in einer in dem Gebäude befindlichen Wohnung über ca. XYZ m2 wohnhaft. Jedenfalls am XYZ räumte die Beklagte die Wohnung und gab sie an die Klägerin heraus. Mit Beschluss des Amtsgerichts XYZ vom Mitte 2020, Az.: XXX IN XX/XX wurde über das Vermögen der Beklagten das Insolvenzverfahren eröffnet. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Eröffnungsbeschluss vom XXXX verwiesen.


Mit Schreiben vom 20.07.2020 erklärte die Klägerin über ihren Prozessbevollmächtigten der Beklagten die Kündigung eines behaupteten Wohnmietverhältnisses wegen eines – streitigen – Zahlungsrückstandes über 43.000,00 €. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das Kündigungsschreiben (Bl. 7 f. d.A.) verwiesen.


Die Klägerin behauptet, die Beklagte habe zur Miete in der streitgegenständlichen Wohnung gewohnt. Sie habe auch im Jahre XXX verschiedene Beträge als Mietzahlungen angewiesen. Es sei eine monatliche Bruttomiete über 800,00 € vereinbart worden. Seit YYY habe die Beklagte jedoch keinerlei Mietzahlungen mehr vorgenommen, sodass ein Mietrückstand über 43.000,00 € bestehe. Darüber hinaus bewohne die Beklagte eine weitere Wohnung in XY-Stadt.


Die Klägerin hat ursprünglich beantragt, die Beklagte zur Räumung und geräumten Herausgabe der im Anschrift, PLZ Stadt, gelegenen ca. XYZ m2 großen Wohnung an sie zu verurteilen und die Beklagte ferner zu verurteilen, für die Zeit ab dem 01.07.2020 an sie jeweils zum dritten Werktag des jeweiligen Monats bis zur geräumten Herausgabe der streitge-genständlichen Wohnung monatlich 800,00 € zu zahlen.

Nachdem die Beklagte die Wohnung jedenfalls am XYZ geräumt an die Klägerin herausgegeben hat und die Beklagte sich der insoweit erfolgten klägerischen Teilerledigungserklärung nicht angeschlossen hat, beantragt die Klägerin zuletzt sinngemäß,


1.) festzustellen, dass sich der Räumungsantrag hinsichtlich der Anschrift, PLZ Stadt, gelegenen ca. XYZ m2 großen Wohnung erledigt hat,
2.) die Beklagte zu verurteilen, für die Zeit ab dem 01.07.2020 an sie jeweils zum dritten Werktag des jeweiligen Monats bis zur Herausgabe der im Antrag zu Ziff. 1 bezeichneten geräumten Wohnung monatlich 800,00 € zu zahlen.


Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.


Die Beklagte rügt eine unwirksame Klagezustellung und bestreitet – im Hinblick auf die Insolvenzeröffnung über ihr Vermögen – ihre Passivlegitimation. Die Beklagte ist zudem der Auffassung, die Klage sei unzulässig.


Die Beklagte behauptet ferner, es sei kein Mietvertragsverhältnis zwischen den Parteien zustande gekommen. Vielmehr sei ihr im Rahmen der Eigentumsumschreibung auf die Klägerin im Jahre XYZ ein lebenslanges Wohnrecht an der streitgegenständlichen Wohnung eingeräumt worden.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird ergänzend auf die wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.


Entscheidungsgründe
Die Klage ist insgesamt unzulässig.


Zwar ist eine wirksame Klagezustellung erfolgt. Ein etwaiger Mangel einer Zustellung wurde jedenfalls geheilt, weil die Beklagte die Klageschrift tatsächlich erhalten hat (§ 189 ZPO). Die Partei- und Prozessfähigkeit des Schuldners (§§ 50, 51 ZPO) wird durch die Insolvenzeröffnung nicht berührt (BGH, Urt. v. 26. Januar 2006 – IX ZR 282/03, ZInsO 2006, 260). Mithin ist die der Wirksamkeit einer Zustellung an Prozessunfähige entgegenstehende Vorschrift des § 170 Abs. 1 Satz 2 ZPO unanwendbar und auch eine nach Insolvenzeröffnung gegenüber dem Schuldner bewirkte Zustellung gültig (BGH, Beschluss vom 11. Dezember 2008 – IX ZB 232/08 –, juris).


Die Klage ist allerdings deshalb unzulässig, weil sie nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Beklagten am 10.06.2020 gegen die Beklagte erhoben worden ist.


Durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens verliert der Schuldner die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen (§ 80 Abs. 1 InsO). Eine gleichwohl gegen den Schuldner erhobene Klage ist unzulässig, weil ihm die passive Prozessführungsbefugnis und dem Gläubiger, der seine Forderung nur noch durch Anmeldung im Insolvenzverfahren realisieren kann (§ 87 InsO), das Rechtsschutzbedürfnis fehlt (BGH, Be-schluss vom 11. Dezember 2008 – IX ZB 232/08 –, juris). Eine Unterbrechung gem. § 240 ZPO scheidet stets aus, wenn das Insolvenzverfahren – wie hier – schon vor Klageeinreichung und damit vor Anhängigkeit eröffnet wurde (BGH, Beschluss vom 11. Dezember 2008 – IX ZB 232/08 –, juris; OLG Frankfurt ZIP 1980, 629; Pape ZInsO 2002, 917, 918).


Entgegen der Auffassung der Klägerin ist die Insolvenzmasse der Beklagten auch sowohl hinsichtlich des (ursprünglichen) Räumungsanspruchs als auch hinsichtlich der mit dem Klageantrag zu Ziff. 2) geltend gemachten Zahlungsansprüche betroffen.


Das anhängige Verfahren betrifft immer dann die Insolvenzmasse (§§ 35, 36 InsO), heißt: das pfändbare Vermögen des Schuldners, wenn der Verfahrensgegenstand ein Vermögenswert ist, der zur Insolvenzmasse gehören kann (vgl. Greger in: Zöller, Zivilprozessordnung, 33. Aufl. 2020, § 240 ZPO, Rn.8), was in diesem Fall auch bei Feststellungsklagen gilt (BGH NJW 95, 1750).


Mag für die Herausgabepflicht des Mieters hinsichtlich der Mietswohnung isoliert betrachtet noch Anderes vertreten werden, so betrifft jedenfalls die hier ursprünglich geltend gemachte Räumungspflicht des Mieters seine Insolvenzmasse (BGH MDR 2015, 351; vgl. Greger in: Zöller, Zivilprozessordnung, 33. Aufl. 2020, § 240 ZPO, Rn.8; BeckOK ZPO/Jaspersen, 39. Ed. 1.12.2020, ZPO § 240 Rn. 13-13.10).

Der BGH führt in seiner Entscheidung vom 10. De-zember 2014 – XII ZR 136/12 – überzeugend aus:


„Im Rahmen einer Räumungsklage ist zwischen Räumungs- und Herausgabeanspruch zu differenzieren. Nach § 985 BGB hat der Besitzer dem Eigentümer den unmittelba-ren Besitz an der Sache zu verschaffen, insbesondere den Zugang zu ermöglichen und die Wegnahme zu dulden. Davon ist die mietvertragliche Räumungspflicht zu un-terscheiden. Sie hat grundsätzlich zum Inhalt, dass der Mieter bei Vertragsende die Mietsache auch im vertragsgemäß geschuldeten Zustand zurückzugeben, ihn also not-falls herzustellen hat. Diese weitergehende Pflicht des Mieters beruht allein auf dem von ihm abgeschlossenen Vertrag (Senatsbeschluss vom 7. Juli 2010 – XII ZR 158/09 – NZM 2011, 75 Rn. 9 f.). Die Räumungspflicht betrifft daher – anders als der bloße Herausgabeanspruch (vgl. BGH Urteil vom 19. Juni 2008 – IX ZR 84/07 – NJW 2008, 2580 Rn. 14) – immer auch die Insolvenzmasse.“

Dem schließt sich das erkennende Gericht an.
Für den mit dem Klageantrag zu Ziff. 2 weitergehend verfolgten Zahlungsanspruch hinsichtlich einer geltend gemachten zukünftigen Nutzungsentschädigung bis zum Zeitpunkt der endgültigen, geräumten Herausgabe der streitgegenständlichen Wohnung gelten die vorangehenden Ausführungen entsprechend. Dass dieser Anspruch die Insolvenzmasse der Beklagten betrifft, liegt auf der Hand. Überdies hat die Klägerin keine Freigabe-Erklärung gem. § 109 Abs. 1 S. 2 InsO vorgelegt.
Da die Klage von Anfang an insgesamt unzulässig war – worauf das Gericht mit prozessleitender Verfügung vom 08.09.2020 (Bl. 9 d.A.) und nochmals im Termin am 17.02.2021 ebenso wie die Beklagtenseite schriftsätzlich hingewiesen hat, konnte auch die begehrte Feststellung der Erledigung des Rechtsstreits aufgrund der einseitig gebliebenen Teilerledigungserklärung nicht ausgesprochen werden. Denn war die Klage auch insoweit von vornherein unzulässig, kann insoweit keine Erledigung eintreten.

Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 S. 1, 2 ZPO. (…)“

Haben auch Sie mietrechtliche Fragen oder gar eine mietrechtliche Streitigkeit? Sprechen Sie uns gerne an. Ihre Rechtsanwälte FZM, Osnabrück.